Stoisch, stolz, handfest – echt

Text und Fotos: Stephan Käufer
Lima die Habichtdame

Lima die Habichtdame

Aufmerksam mustern die braunen Augen die Umgebung. Gleiten über Buschwerk, Geäst der Bäume, die kleine Grasfläche. Keine Bewegung entgeht dem Vogel. Etwa fünfzig Meter von ihm entfernt umschließt eine lederbehandschuhte Faust ein Stück Hühnerfleisch. Der Arm hebt sich die Faust geschlossen. Startsignal. Blitzschnell, die Schwingen in Segelstellung gleitet der Habicht aus erhöhter Ansitzposition Richtung Erdboden. Etwa fünfzig Zentimeter über der Wiese fängt er den Sturzflug ab. Schießt, Bodenwellen ausnutzend, über dem Erdboden auf die vermeintliche Beute zu. Ein Opfer wäre chancenlos, Krallen würden zupacken, der Jäger mit seiner Beute himmelwärts ziehen. Lima, so der Name der Habichtdame, liebt dieses Spiel. Den Körper senkrecht, während ihr Flügelschlag den Flug abbremst, sinkt sie auf den Arm der Falknerin nieder. Zur Belohnung öffnet sich die Lederfaust und freudig pickt der hakenförmige Schnabel im Park von Ashford Castle nach der verdienten Belohnung.

Ashford Castle

Ashford Castle

Ashford Castle, ehemaliges Schloss der Guiness Familie liegt in direkter Nachbarschaft zu Cong, einem der schönsten Dörfer Irlands am Nordufer von Lough Corrib. Nur wenige Meilen nördlich von Galway beginnend dehnt sich der zweitgrößte See Irlands etwa fünfundzwanzig Kilometer in Nord-Südrichtung aus. Westlich des Sees liegt die Landschaft Connemara mit ihren ausgedehten Moorgebieten oder den an die siebenhundert Meter hohen Twelve Bens einer Bergregion in der auch der Connemara-Nationalpark beheimatet ist.

Connemara

Connemara

„Etwa fünfundneunzig Prozent des Tages sitzen Falken im Geäst der Bäume und ruhen“, erklärt Isande Mel Souef. Greifvögeln gehört die Leidenschaft der 23-jährigen Französin, die auf Ashford Castle an der nationalen irischen Falkenschule als Falknerin arbeitet. Neben Falken wird auf Ashford Castle auch mit Habichten gearbeitet. Beide Arten gehören zur Greifvögelgattung. Stolz sitzt Lima auf Isande´s Arm als die Französin weiter berichtet: „Erst wenn die Vögel hungrig sind erwacht ihr Jagdinstinkt. Dann halten sie nach Beute Ausschau“. Hierbei gehen die Arten unterschiedlich vor. Turmfalken etwa setzen in offenen Feld und Wiesen-landschaften mit geringem Baumbestand, also Ansitz-möglichkeiten, oft die sogenannte Rütteltechnik ein. Hierbei steigen sie in den Himmel auf und bleiben mittels kräfte-raubendem Flügelschlag nahezu auf der Stelle stehen. Den Körper dabei in aufrechter Position. Entdecken sie ein Beutetier schießen sie im Sturzflug auf ihr Opfer herab um es mit den Krallen zu packen. Habichte, wie Lima, jagen eher in Waldgebieten. Sie beobachten vom Ansitz, einem Ast oder erhöhtem Felsen, die Umgebung und jagen lautlos in geringem Abstand zum Erdboden auf die Beute zu. Die zupackenden Krallen töten gleichzeitig das Opfer.

„Jeden Morgen werden die Vögel auf das Gramm genau gewogen“, berichtet Isande weiter. „So stellen wir fest ob die Vögel hungrig sind.“ Eine der Vorraussetzungen mit den Tieren zu arbeiten. Bei dieser Arbeit können auch Besucher anwesend sein. Auf etwa 90- minütigen Einzelführungen wird der Falkner beim Rundgang mit einem der Vögel durch die waldreiche Parklandschaft begleitet. Wer will darf –lederbehandschuht- selbst ausprobieren wie es sich anfühlt, von Lima oder Ihren Artgenossen angeflogen zu werden.

Der mächtige Kamin beherrscht das Zimmer. Integriert in eine Nische, vertäfelt in Eiche. Durch angedeutete Säulen, Friese und Gesims, an ein Patrizierhaus erinnernd. Abglanz einer Epoche in der Europa die Welt entdeckt und viktorianischer Stil ihr einen unverkennbaren Stempel aufdrückt. Wo das Jagen, zu Pferd, mit Hunden oder dem Falken –die Beizjagdt-, zum guten Ton gehören. In den verglasten Wandschränken des Kaminzimmers auf Ashford Castle finden sich, golden schimmernd, mehr als tausend Stück kostbarstes Tafelsilber. Die Fenster in der zinnengekrönten Fassade blicken auf weitläufige Parkanlagen, auf Springbrunnen, Waldgebiete und See. Alles, Parklandschaft und Schloss ist öffentlich zugänglich. Ein kurzer Waldweg verbindet Cong mit Ashford Castle. Das urige Dorf mit der Ruine einer alten Abtei zehrt zusätzlich aus seiner Hollywood-vergangenheit. „The Quiet Man“ Moovie aus den 50-igern mit Maureen O´Hara und John Wayne wurde hier gedreht. Ein kleines Museum huldigt dieser Vergangenheit.

Cong Abbey

Cong Abbey

Wer aus den jüngeren Generationen kennt noch die legendären Diven und Helden der Fünfziger- und Sechziger Jahre? Cong Abbey, Ashford Castle, Lough Corrib sind ein sehenswertes Stück Ewigkeit. Eingebettet in eine inspirierende Landschaft. Stoisch, stolz, erhaben so wie Lima die Habichtdame auf dem Arm der Falknerin. Keine künstliche Fassade, kein buntes, schreiendes Anbiedern, schlicht Ruhe und Erholung. Handfest, echt.


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